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Agentenmarke in der Schweiz/Voraussetzungen Vorläufiger Rechtsschutz / Verfügungsverbot

Eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des Kantonsgerichts Baselland vom 28.05.2024 (AZ 43023200) zeigt anschaulich die Voraussetzungen für die Erwirkung einer -nach deutscher Terminologie- einstweiligen Verfügung, in der Schweiz als superprovisorische Maßnahme bezeichnet. Anlass für den Rechtsstreit zwischen einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland und seinem (früheren) schweizerischen Kooperationspartner war die Frage, ob das schweizerische Unternehmen berechtigt war, Zeichen des deutschen Partners in der Schweiz als Marken anzumelden.

Zur internationalen Zuständigkeit stellte das Gericht fest, dass Ansprüche aus Immaterialgüterrechten gemäß Art. 110 Abs. 1 IPRG dem Recht des Staates unterstünden, für welchen der immaterialgüterrechtliche Schutz beansprucht werde. Insoweit Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb geltend gemacht würden, so das Gericht, unterstünden sie dem Recht des Staates, auf dessen Markt die unlautere Handlung ihre Wirkung entfaltet (Art. 136 Abs. 1 IPRG).

Das angerufene Gericht sei auch örtlich zuständig für den Erlass des von der Klägerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren begehrten Verfügungsverbots. Für Klagen betreffend die Gültigkeit oder Eintragung und/oder Gültigkeit von Immaterialgüterrechten in der Schweiz seien die funktional zuständigen Gerichte am Sitz des Beklagten zuständig (Art. 109 Abs. 1 IPRG).

Zu den Voraussetzungen für eine vorsorgliche Maßnahme (Art. 261 Abs. 1 ZPO) führt das Urteil aus, dass eine Partei verlangen kann, dass das Gericht vorsorgliche Maßnahmen trifft, wenn sie (a) glaubhaft macht, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzend ist (Verfügungsanspruch) und (b) darüber hinaus glaubhaft darlegt, dass ihr aus der Verletzung ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (Verfügungsgrund). Darüber hinaus ist es erforderlich, dass eine zeitliche Dringlichkeit besteht. An dieser fehle es dann, wenn ein hinreichender Rechtschutz ebenso gut im Hauptsacheverfahren erreicht werden könne, was vorliegend nicht der Fall sei.

Maßstab für die Darlegung des Verfügungsanspruchs sei die „Glaubhaftmachung“, wobei Glaubhaftmachen mehr bedeute, als behaupten, aber weniger als beweisen (Urteil Ziff. 2.1). Das Gericht stellt weiter fest, dass die Gesuchsklägerin glaubhaft dargelegt habe, dass ihr markenschutzrechtlicher Hauptanspruch wahrscheinlich begründet ist und dass eine Verletzung  und ein nicht wiedergutzumachender Nachteil drohe, müsste ein Hauptsacheverfahren abgewartet werden. Die von dem Gericht vorgenommene Hauptsache- Prognose führte zur Bejahung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund und zum Erlass des begehrten Verfügungsverbots über die von der Verfügungsbeklagten vorgenommenen insgesamt rund 30 Markenanmeldungen. Das Gericht begründete seine Maßnahme-Entscheidung u.a. wie folgt: Der Erlass einer Registersperre beziehungsweise eines Vergütungsverbotes im Verfügungsverfahren sei angebracht, weil sie nicht allzu schwer in die Rechtssphäre des Beklagten eingreife. Diese Maßnahme sei auch verhältnismäßig, insbesondere weil die Beklagte als Inhaberin der streitgegenständlichen Marken- und Markenanmeldungen eingetragen bleibe. Durch die Maßnahme werde die Beklagte nicht daran gehindert, die streitgegenständliche Marken und Markenanmeldungen weiterhin zu gebrauchen. Der Verfügungsanspruch der Klägerin sei hinreichend glaubhaft gemacht. Nach Art. 4 MSchG genießen Marken keinen Schutz, die ohne Zustimmung des Inhabers auf den Namen von Agenten, Vertretern oder anderen Berechtigten eingetragen oder die nach Wegfall der Zustimmung in Register eingetragen bleiben, sogenannte Agentenmarken (vgl. Ziff. 3.3.1 des Urteils). Das Gericht bejahte die Dringlichkeit der Maßnahme mit der drohenden Gefahr der Übertragung der streitbefangenen Marken(-anmeldungen) durch die Verfügungsbeklagte auf einen gutgläubigen Dritten (Ziff. 3.3.5). Eine solche Handlung, so das Gericht, würde die konkrete Gefahr mit sich bringen, dass die Übertragungs- bzw. Nichtigkeitsklage der Klägerin mangels Passivlegitimation abzuweisen wäre, sofern keinen Parteiwechsel nach Art. 83 ZPO(CH) stattfinden würde, was aufgrund der vorliegenden Streitigkeit zwischen den Parteien nicht anzunehmen sei. Damit falle die Hauptsachenprognose in Bezug auf den glaubhaft gemachten Übertragungsanspruch der Klägerin positiv aus.

Link zur Entscheidung:

https://bl.swisslex.ch/de/doc/claw/adab30a1-3be7-49c9-bbf3-68d414fd2176/search/214994936

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Auch erstmalig versandte Werbe-Email (hier: Sponsoringanfrage) stellt Eingriff in Gewerbebetrieb dar

In einem kürzlich veröffentlichten Beschluss (AZ: 4 U 168/24) hat das OLG Dresden eine Berufung gegen die Zurückweisung einer negativen Feststellungsklage als unbegründet zurückgewiesen.

Das Gericht stellte fest, dass das von der (Feststellungs-)klägerin veranlasste Zusenden einer Sponsoringanfrage per Email einen rechtwidrigen Eingriff in das Recht der Beklagten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt. Die Klägerin hatte der Beklagten unaufgefordert eine Email zugesandt, mit dem Ziel, deren Unterstützung einer Veranstaltung mittels Zurverfügungstellung kostenfreie Getränke zu erreichen. Als Gegenleistung stellte die Klägerin in Aussicht, Werbemittel für die Beklagte aufzustellen. Unter Bezugnahme unter anderem auf die BGH-Entscheidung vom 12.09.2013 (GRUR 2013, 1259ff.) stellte das OLG Dresden fest, dass unverlangt zugesendete Email-Werbung betriebsbezogen erfolgte und den Betriebsablauf im Unternehmen des Empfängers beeinträchtigt. Denn der Empfänger müsste Emails mit unerbetener Werbung stets einzeln sichten, was zu einer unberechtigten Belästigung führe. Zwar halte sich der Arbeitsaufwand bei einer einzelnen Email in Grenzen. Mit der häufigen Verwendung von solchen Anfragen, so das Gericht, sei aber dann zu rechnen, wenn eine Sponsorensuche per Email zugelassen würde. Unter Bezugnahme auch auf das oben genannte BGH Urteil stellt das OLG Dresden fest:

„…dass der Schutz der geschäftlichen Sphäre, insbesondere die Ungestörtheit der Betriebsabläufe, vorrangig gegenüber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben von anderen Unternehmen oder Gewerbetreibenden ist“.

Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten eine unzumutbare Belästigung darstellt.

Anmerkung: Im vorliegenden Fall hatte die unterlegende Feststellungs-Klägerin argumentiert, dass jedenfalls die erstmalige Zusendung einer unaufgeforderten Werbemail für einen konkreten (Sponsoring-)Anlass keine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 II Nr. 2 UWG darstellt. Diese Frage war tatsächlich umstritten. Allerdings hatte die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur bereits zuvor in der einmaligen Email-Versendung eine entsprechende Rechtsverletzung gesehen. Diese Auffassung hat der BGH in seinen Urteilen vom 12.09.2013 sowie vom 10.07.2018 (I ZR 208/12, Rn. 15ff.; VI ZR 22507) bestätigt.

Link zur Entscheidunghttps://www.itm.nrw/wp-content/uploads/2024/08/4-U-168.24.pdf

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GMP News Mai 2024. Werbung mit einer Drittmarke-Verbot der Verwendung von Bezeichnung „BMW Service“

In seiner Entscheidung vom 17.11.2023 (OG.2017.00019) hat das Obergericht des Kantons Glarus die Verwendung der Bezeichnungen „BMW Garage“ oder „BMW Partner“ durch die Beklagte, welche seit 2003 nicht mehr autorisierte BMW-Händlerin war, verboten.

BMW hatte in der im Jahre 2017 eingereichten Klage geltend gemacht, dass die Beklagte nach Beendigung des Vertragshändlervertrages unerlaubterweise weiterhin u. a. auf Ihrem Geschäftsgelände auf Pylonen Marken von BMW verwende und sich im Geschäftsverkehr weiterhin als „offizielle BMW-Vertretung“ bezeichne sowie, beispielsweise am Annahme-Schalter, die Bildmarke „BMW“ verwendet habe sowie verschiedene Bezeichnungen wie „BMW Service“, „BMW Mini Service“, „BMW Garage“.

Weiter machte BMW geltend, dass es in den Jahren 2014 bis 2017 wiederholt zu Vorfällen gekommen sei, bei den BMW-Kunden, die Beklagte aufgrund des angegriffenen Verhaltens irrtümlicherweise für eine offizielle BMW-Händlerin, BMW-Partnerin bzw. BMW-Vertretung hielten (Rn. 4.1 der Entscheidung). Die Beklagte machte in ihrer Klageantwort geltend, dass sie auf den Gebrauch der Marken der Klägerin aufgrund Ihrer Geschäftsfähigkeit mit Original-Markenwaren der Klägerin angewiesen sei (Rn. 5.2).

Das Gericht stellt fest: Verwendet ein Geschäftsinhaber die fremde Marke für sein Angebot an Original-Markenartikeln oder zur Werbung für Reparaturen in Servicearbeiten, die Original-Markenartikel zum Gegenstand haben, so verletzt er das Markenrecht nicht, wenn seine Werbung sich deutlich auf seine eigenen Angebote bezieht (Rn. 4.3.2). Allerdings, so das Gericht, findet die Werbung mit einer Drittmarke ihre Grenze nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung dort, wo beim Publikum des unzutreffenden Eindruckes einer besonderen Beziehung des mit der Marke werbenden Anbieters zum Markeninhaber erweckt wird, so z. b. wenn die Drittmarke so benutzt wird, dass der Durchschnittsabnehmer fälschlicherweise annimmt, der Anbieter sei dem Vertriebssystem für Original-Produkte in irgendeiner Form zuzurechnen (Rn. 4.4.2). So sei es im vorliegenden Fall. Das Gericht untersagte der Beklagten daher u. a. die Verwendung eines Pylonen mit der Aufschrift „BMW Service“ mit Hinweis darauf, dass die Beklagte nicht darauf angewiesen sei, die Pylonen von ihrer Garage in Anlehnung auf die offizielle BMW-Werbung zu gestalten (Rn. 5.1.8). Auch die weitere Verwendung der Bezeichnung „BMW Service“ beziehungsweise „BMW Mini Service“ auf den Visitenkarten sowie auf den Overalls der Angestellten und der Website der Beklagten, hat das Gericht als unzulässig erachtet (Rn. 5.1.11), da die Verwendung dieser Bezeichnungen vom Verkehr als ein Hinweis auf „offizielle Vertragsgarage“ verstanden würde. Daher seien diese Aussagen wettbewerbsrechtlich irreführend.

(Quelle: https://entscheidsuche.ch/view/GL_OG_001_OG-2017-00019_2023-11-17)

 

 

Anmerkungen: Für den Bereich der EU hat der deutschen BGH in einer aktuellen Entscheidung dem Anbieter von Autoersatzteilen untersagt, das   -Logo von Audi im Zusammenhang mit dem Anbieten eines Kühlergrills als Ersatzteil für Audi-Fahrzeuge zu verwenden (GRUR 2024, 291ff.) Diese Entscheidung steht in direkter Linie mit der Leitentscheidung „BMW-Deenik“ aus dem Jahre 1999. Auch in jenem Fall, wo sich der Beklagte unter anderem als „Fachmann BMW“ bezeichnet hatte, ohne BMW-Vertragshändler zu sein, hatte der EuGH festgestellt, dass eine solche Benutzung dann verboten werden kann, wenn die Marke in einer Weise benutzt wird, die den Eindruck erwecken kann, dass eine Handelsbeziehung zwischen dem Drittunternehmen und dem Markeninhaber besteht (EuGH vom 23.02.1999, Rn. 64).

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Zulässigkeit umweltbezogener Werbeaussagen

In seiner Entscheidung vom 23.12.2022, die kürzlich veröffentlicht worden ist (GRUR 2023, 1284 ff.), hat das OLG Bremen festgestellt, dass umweltbezogene Werbeaussagen wie beispielsweise „nachhaltig“ und „ressourcenfreundlich“ unter gewissen Umständen irreführende Angaben nach §5 Abs.1 in Verbindung mit Abs.2 Nr. 1 UWG darstellen können. Nach Ansicht des Gerichts sind umweltbezogene Werbeaussagen zwar grundsätzlich zulässig. Allerdings, so das OLG Bremen, sei die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und Zeichen ähnlich wie die Gesundheitswerbung nach strengen Maßstäben zu beurteilen (a.a.o Rn. 47). Weiter führt das Gericht aus, dass die vom OLG Hamm (GRUR-RS 2021, 31137) zur Werbeaussage „CO2-reduziert“ ausgestellten strengen Anforderungen auch in diesem Fall anzuwenden seien. Es kommt zu dem Schluss, dass die angegriffene Werbung soweit sie eine Beschreibung der streitgegenständlichen Teesorten als „nachhaltig“ erkennen lässt, sämtlich irreführend seien. Denn die Werbung lasse nach dem maßgeblichen Gesamteindruck aus Sicht der angesprochenen Fachkreise keine hinreichende Benennung derjenigen Vorzüge erkennen, die die Auslobung der Nachhaltigkeit aus Sicht der Verfügungsbeklagten tragen soll (a.a.o. Rn. 49bb).

Dem Einwand der Verfügungsbeklagten, das in Rede stehende Werbeanzeige sich nicht an den Verbraucher, sondern an Entscheider im Lebensmitteleinzelhandel richtet. Auch die angesprochenen Entscheider des Lebensmitteleinzelhandels – also etwa Marktleiter oder verantwortliche Mitarbeiter von Einkommensabteilung – verstehe die angegriffene Werbung, dass die Kräuterpflanzen zwar unter Berücksichtigung des Standards der EU-Bio-VO angebaut worden seien, die zusätzlich versprochene „Nachhaltigkeit“ werde daher allerdings nicht näher präzisiert (a.a.o. Rn. 53(2)).

Das OLG Bremen stellt klar, dass die Kriterien für die Zulässigkeit eines Irrtums ausschließend umweltbezogenen Werbung auch nicht nur gegenüber dem Endverbraucher, sondern auch bei einer Werbung, die sich an Fachkreise wendet (und verweist auf OLG Hamburg 5 U 85/06, BeckRS 2008, 7230). Dies ergebe sich bereits daraus, dass §5 I 1 UWG (auch in seiner alten Fassung) irreführende Werbung nicht nur gegenüber dem Verbraucher, sondern auch gegenüber sonstigen Marktteilnehmern als unlauter eingestuft.

Zwar könne die Irreführungsgefahr bei Fachkreisen dann gemindert sein, wenn die Fachkreise typischerweise über eigene umfassende Kenntnisse verfügen, um die Umweltauswirkung des beworbenen Produkts in den relevanten Einzelheiten aus eigener Anschauung sicher beurteilen zu können (Rn. 57). Dafür sei aber vorlegend nichts vorgetragen. Die demnach als irreführend anzusehende Werbung sei auch geeignet, den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die anderenfalls nicht getroffen hätte (§ 5 I 1 UWG). Nach alledem erwiesen sich die angegriffenen Bezeichnungen „nachhaltige Kamille“ mit dem nicht näher erläuterten Zusatz „ressourcenfreundlich“ genauso als irreführende, unlautere Werbung wie auch die Beschreibung als „ressourcenfreundlich“. Selbst wenn man eine Irreführung nicht auf das Fehlen der Erläuterung, wie die Ressourcenfreundlichkeit beziehungsweise Nachhaltigkeit konkret ausgestaltet ist, stützen würde, wäre in Bezug auf die Verwendung der Begriffe „ressourcenfreundlich“ und „nachhaltig“ in Bezug auf den Wasserverbrauch der Kamillenpflanze eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten anzunehmen. Denn der geringe Wasserverbrauch der Kamillenpflanze sei unstreitig ein Wesensmerkmal der Pflanze selbst, welches mithin jedem Kamillentee anhafte und das Leistungsangebot der Verfügungsbeklagten gegenüber anderen Angeboten nicht auszeichne.

Die Verwendung des Zusatzes „Kurze Lieferwege“ erwecke bei dem Leser der Werbeanzeige den (unzutreffenden) Eindruck, dass das so beworbene Produkt des Minztees aus regional im Bundesgebiet erzeugten und verarbeiteten Minzpflanzen bestehe. Auch diese Vorstellung erweist sich als unrichtig.

Kommentar: Die umweltbezogene Werbung ist aktuell Gegenstand vieler Streitigkeiten. Diese Entscheidung ist insoweit begrüßenswert, als sie sich sehr ausführlich mit dem Irreführungspotential auch von Werbung, die sich an Fachkreise wendet, auseinandersetzt. Beachtenswert ist auch, welch hohen Prüfungsmaßstab das OLG Bremen in Bezug auf die Zulässigkeit der Verwendung von umweltbezogenen Werbeaussagen anlegt, nämlich ähnlich hoch wie bei der Gesundheitswerbung, wenn das Gericht fordert, dass es der konkreten Benennung des jeweiligen, die Anpreisung als nachhaltig tragenden Vorzugs des Produkts bedarf.

Quelle: GRUR 2023, S. 1384 ff.

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Umfang einer Widerklage von dem Unionsmarkengericht (Art. 128; Art. 124 Unionsmarkenverordnung)

Mit Urteil vom 08.06.2023 (C-654/21) hat der EuGH (Zehnte Kammer) in Bezug auf den Umfang einer in eine markenrechtlichen Verletzungsstreit als Verteidigungsmittel erhobenen Widerklage wie folgt entschieden:

„Art. 124 Buchst. d in Verbindung mit Art. 128 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke ist dahin auszulegen, dass eine Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit einer Unionsmarke sämtliche Rechte betreffen kann, die der Inhaber dieser Marke aus ihrer Eintragung ableitet, ohne dass die Widerklage in ihrem Gegenstand durch den Rahmen begrenzt wird, der durch die Verletzungsklage abgesteckt wird“.

Ausgangspunkt der Entscheidung war ein Vorabentscheidungsersuchen aus Polen. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte LM, Inhaber der Unionswortmarke „Multiselect“, gegen KP (Beklagter) eine Klage wegen Verletzung vorstehender Marke erhoben. Der Beklagte wiederum erhob Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit der angegriffenen Marke. Die Verletzungsklage wurde anschließend vollständig abgewiesen.

In Bezug auf die Widerklage stellte das Gericht in Polen die Vertragsfrage, inwieweit es über die Widerklage zu befinden habe, wenn ihr Gegenstand, wie im Ausgangsverfahren, über ein „Verteidigungsmittel“ gegen die Verletzungsklage hinausgehe, denn die Widerklage betreffe nicht nur die von der Hauptklage erfassten Waren und Dienstleistungen, sondern gehe darüberhinaus. Das vorlegende Gericht war der Auffassung, dass die Widerklage nur diejenigen Forderungen umfassen könne, die in einem tatsächlichen Zusammenhang mit dem Verletzungsverfahren stehen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass das Hauptverfahren hinter die Widerklage „zurücktrete“.

Der EuGH dazu festgestellt: Mangels einer Definition des Begriffs „Widerklage“ in VO (EU) 2017/1001 sei festzustellen, dass darunter grundsätzlich eine Gegenklage zu verstehen sei, die der Beklagte in einem vom Kläger betriebenen Verfahren vor demselben Gericht erhebt (Verweis auf EuGH GRUR 2022, 1669 Rn. 36 – Gemeinde Bodman-Ludwigshafen).

Weiter, so der EuGH, Rn. 32, sei eine Widerklage nicht mit einem bloßen Verteidigungsmittel zu verwechseln. Es handele sich um einen gesonderten und eigenständigen Antrag, dessen prozessuale Behandlung von der Klage unabhängig ist und der so mit auch dann weiterverfolgt werden kann, wenn die Klage des Klägers abgewiesen wird. Somit, so der EuGH, ist der Begriff „Widerklage“ zwar als Rechtsbehelf zu verstehen, der die Erhebung einer Verletzungsklage voraussetzt und daher mit dieser im Zusammenhang steht, doch zielt dieser Rechtsbehelf darauf ab, den Streitgegenstand zu erweitern und die Anerkennung eines von der Klage gesonderten und eigenständigen Antrages zu erreichen, insbesondere um die betreffende Marke für nichtig erklären zu lassen (Rn. 38 unter Verweis auf EuGH Entscheidung GRUR 2022, 1669 Rn. 39 – Gemeinde Bodman-Ludwigshafen). Damit unterscheide sich die Widerklage von einem bloßen Verteidigungsmittel und ihr Schicksal hängt nicht von demjenigen der Verletzungsklage ab (Rn. 34).

Nach alledem kommt der EuGH zu folgendem Schluss: In Anbetracht des eigenständigen Charakters der im Art. 128 der Unionsmarkenverordnung vorgesehenen Widerklage, kann ihr Gegenstand somit nicht durch den Inhalt des Verletzungsverfahrens, in dessen Rahmen die Widerklage erhoben wird, begrenzt werden (Rn. 35).

Kommentar: In der anwaltlichen Praxis wird daher bei der Entscheidung, ob eine Verletzungsklage erhoben werden soll, gegen eine Verletzungshandlung, die nur einen relativ kleinen Teil des WDL-Verzeichnisses der herangezogenen Marke betrifft, tatsächlich eine Verletzungsklage erhoben werden soll. Der EuGH hat ja nunmehr klargestellt, dass das Risiko besteht, dass im Rahmen der Widerklage nach Art. 128, welcher auf sämtliche in der Verordnung geregelten Verfalls- oder Nichtigkeitsgründe gestützt werden kann (Art. 128, Abs. 1) die klägerische Marke gegebenenfalls vollständig zu Fall gebracht werden kann.

Quelle:

https://betriebs-berater.ruw.de/wirtschaftsrecht/urteile/Verhaeltnis-der-Widerklage-auf-Erklaerung-der-Nichtigkeit-einer-Unionsmarke-zur-Verletzungsklage-45030

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Urheberrechtschutz für ein Heizstrahler in Pyramidenform bejaht.

Mit Entscheidung vom 30. März 2023 hat das OLG Hamburg, 5. Zivilsenat (AZ: 5 U 77/21) in einem Berufungsverfahren entschieden, dass ein Heizstrahler in Pyramidenform als Werk der angewandten Kunst urheberechtlichen Schutz genießen kann.

 

Gegenstand des zuvor beim LG Hamburg geführten Streitverfahrens war der Vertrieb eines gasbetriebenen Heizstrahlers in Pyramidenform auf einer viereckigen Grundform. Die Antragstellerin hatte ihre Ansprüche gegen die Antragsgegnerin sowohl auf die Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters als auch auf die Verletzung von Urheberrechten gestützt. Allerdings wurde das klägerische Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig erklärt, so dass nur noch der Aspekt einer Urheberrechtsverletzung zu beurteilen war. Die  Antragsgegnerin machte geltend, dass es sich beim klägerischen Heizgerät nicht um ein Werk der angewandten Kunst handele, sondern um ein rein handwerksmässiges Erzeugnis, bei welchem keine persönliche geistige Schöpfung vorliege und daher kein urheberrechtlicher Schutz bestehe. Im Übrigen sei aufgrund technischer Vorgaben der Gestaltungsspielraum für Heizstrahler beschränkt und es gebe, so die Antragsgegnerin, diverse Heizstrahler, die eine gleiche Optik wie das Klagemuster aufwiesen.

Das Landgericht Hamburg, nunmehr bestätigt durch das OLG, billigte dem Verfügungsmuster jedoch urheberrechtlichen Schutz zu (RN. 74).

 

Im Berufungsurteil (RN 75) verweist das OLG Hamburg zunächst auf die Rechtsprechung des BGH, nach welchem Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen seien, als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst. Zur Annahme eines Werkes sei eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne vom § 2 Abs.2 UrhG erforderlich, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2014, 175 Rn. 15 – Geburtstagszug). Allerdings, sodass OLG, sei bei Gebrauchsgegenständen, welche durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen müssen, der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt (RN. 76). Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maß die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertige (RN. 76).

 

Anschließend nimmt das OLG Hamburg in seiner Entscheidung Bezug auf die  Rechtsprechung des EuGH  zur Werkqualität (RN 78). Danach habe  der Begriff „Werk“ zwei Bestandteile. Zum einen muss es sich um ein Original handeln, das eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers ist und zum anderen muss eine solche Schöpfung zum Ausdruck gebracht werden (vgl. EuGH, GRUR 2019, 1185 Rn. 29 – Cofemel/G-Star; EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 22 – Brompton/Get2Get). Unter Beachtung dieser Grundsätze, so das OLG Hamburg, lägen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Urheberrechtsschutzes des klägerischen Heizstrahlers vor. Entscheidend sei, dass trotz des zweifelsfrei vorliegenden Gebrauchszwecks des Gerätes für den Entwerfer nicht nur ein hinreichender Spielraum für freie, kreative Entscheidungen bestanden habe, sondern dieser auch von diesem Gestaltungsfreiraum Gebrauch gemacht habe. Für den Urheberschutz spreche zusätzlich, dass das Gestaltungsergebnis einen erheblichen Abstand vom vorbekannten Formenschatz realisierte. Daher sei im vorliegenden Fall eine Gestaltungshöhe erreicht, die die Gewährung von Urheberrechtsschutz rechtfertige. Der Gesamteindruck des Verfügungsmusters werde durch die klare geometrische Form einer Pyramide – oder eines dreikantigen Kegels – geprägt, die einen fließenden Übergang vom Unterteil mit der Gasflasche ohne ein Mittelstück unmittelbar in die Brenneinheit aufweise und in der die Funktion der Brenneinheit mittels eines Glaskolbens für den Betrachter hindurch sichtbar gemacht werde. Dem dadurch erzeugten Gesamteindruck des klägerischen Heizstrahlers habe zum Zeitpunkt der Schöpfung im Jahre 2006 kein Vorbild vorgelegen.

An dem Ergebnis einer Urheberrechtsverletzung, so das OLG, ändere auch der Umstand nichts, dass der angegriffene Heizstrahler einen quadratischen Grundaufbau aufweist, im Gegensatz zu der dreieckigen Grundform des Verfügungsmusters. Denn auch das Verletzungsmuster werde geprägt durch die geometrische Form einer Pyramide, die zwar in der Grundfläche über mehr Ecken als das Verfügungsmuster verfügt, aber in der eben auch ohne einen Mittelteil ein Übergang vom Unterteil verjüngend in die Brennkammer des Oberteils erfolgt. Daher liege auch unter Berücksichtigung der – geringen – Abweichungen zwischen dem Verfügungsmuster und dem angegriffenen Heizstrahler eine Verletzung ohne weiteres vor (Urteil, RN 87).

 

Quelle:    https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/KORE291312023

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GMP News für  November 2022 CH-Bundesgericht zum Beweis demoskopischer Umfragen (Lindt gegen Lidl)

 

In seiner Entscheidung vom 30. August 2022 (4A_587/2021) hat sich das CH-Bundesgericht mit dem Beweiswert von demoskopischen Umfragen befasst.

Ausgangspunkt der Entscheidung des zugrunde liegenden Streits war, dass zwei Lidl-Gesellschaften vor Ostern 2017 in der Schweiz Schokoladenhasen in einer Goldverpackung angeboten hatten. Dagegen war die Klägerin und spätere Beschwerdeführerin Lindt & Sprüngli AG gestützt, auf Ihre Formmarken No. 696955 und Nr. P-536640 wegen behaupteter Markenrechtsverletzung vorgegangen. Gegen die von Lindt erhobene Klage vor dem Handelsgericht Aargau erhob die Beklagte und spätere Beschwerdegegnerin die Einrede der Schutzunfähigkeit. Die Beklagten vertraten die Auffassung, die im Markenregister eingetragenen Zeichen von Lindt seien Gemeingut und aus diesem Grund vom Markenschutz ausgeschlossen. Lindt machte hingegen die Schutzfähigkeit seiner Marken auf der Grundlage von Verkehrsdurchsetzung geltend und legte als Nachweis dafür das Ergebnis einer repräsentativen Meinungsbefragung vor. Dieses Gutachten attestierte dem Lindt Goldhasen eine „aktive Bekanntheit“ in der Schweiz von 94% (in Gold) und von 95% (in Schwarz-Weiss) sowie eine ungestützte Zuordnung von 87% (in Gold) und 89% (in Schwarz-Weiss). Nach Auffassung des Handelsgerichts stellten jedoch die von der Beschwerdeführerin (Lindt) vorgelegten demoskopischen Erhebungen nichts anderes dar als „Privatgutachten, die als blosser Bestandteil der Parteivorbringens anzusehen“ seien. Das Handelsgericht wies die Klage im Übrigen deshalb ab, weil es der Auffassung war, dass der Lidl-Hase ausreichend unterschiedliche Merkmale aufweise, um eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr zu verneinen. Das Bundesgericht gab der Beschwerde von Lindt gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kanton Aargau vom 16. September 2021 (HOR.2018.56) u.a. mit folgenden Erwägungen statt:

Die (dreidimensionalen) Marken, auf welchen die Klägerin ihre Ansprüche fusste, – mögen sie auch ursprünglich kennzeichnungsschwach gewesen sein -, seien in Folge der (notorischen) Verkehrsdurchsetzung im Laufe der Jahre zu starken Zeichen geworden, denen angesichts ihrer Bekanntheit eine erhebliche Individualisierungskraft innewohne. Damit sei von einem weiten geschützten Ähnlichkeitsbereich auszugehen (Bundesgericht a.a.O, E 8.2).

Weiter nahm das Bundesgericht Verwechslungsgefahr an. Zwar sei der Vorinstanz zuzustehen, dass sich die Lidl-Hasen in Details von den Lindt-Hasen unterschieden. Diese Details mögen bei einem aufmerksamen Vergleich unterscheidbar sein. Für die markenrechtliche Verwechselbarkeit sei indes der Gesamteindruck massgebend, den sie im Gedächtnis der Adressaten hinterlassen (BGE 128 III 441 E.3.1). Vor diesem Hintergrund hätte das Handelsgericht den Schluss ziehen müssen, dass die Marken bei den Verkehrskreisen der Beschwerdeführerin als im Verkehr durchgesetzte, besonders kennzeichnungskräftige Zeichen prägende Erinnerungsvorstellungen hinterlassen, an die sich die von den Beschwerdegegnern vertriebenen Hasen stark und in irreführender Weise anlehnen (a.a.O, E 8.3). Daran ändere auch das auf den Lidl-Hasen aufgedruckte Etikett „FAVORINA“ nichts. Gerade bei Lebensmitteln könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit handelnde Käufer sich durch die Lektüre von Anschriften bei seiner Auswahl orientiere. Hingegen werde er ihm bekannte Produkte nicht zuletzt anhand der Form und der Ausstattung wählen (E.8.4).

Schliesslich habe die Vorinstanz die bundesrichterliche Rechtsprechung verkannt, wenn sie die von der Klägerin vorgelegten Ergebnisse demoskopischer Umfragen als reinen „Parteivortrag“ qualifiziert. Das Bundesgericht habe demoskopische Erhebung schon immer die Eignung zum Beweis der Verkehrsdurchsetzung zugesprochen, soweit diese auf wissenschaftlich konzipierten und korrekt durchgeführten Umfragen basierten (Bundesgericht a.a.O, E 4.5.3 mit Verweis u.a. auf BGE 131 III 121 sowie BGE 130 III 328 E.3.5). Dies werde, so das Bundesgericht, auch in der Lehre durchwegs anerkannt.

Ergänzend weist das Bundesgericht darauf hin, dass im Verwaltungsverfahren zur Eintragung einer Marke aufgrund von Verkehrsdurchsetzung vor dem Eidgenössischen Institut eine von den Parteien einzuholende Umfrage zum Nachweis (Glaubhaftmachung) der Verkehrsdurchsetzung nicht nur zulässig, sondern faktisch verlangt werde (a.a.O,E 4.5.4). Das Verwaltungsverfahren vor dem IGE und der markenrechtliche Zivilprozess unterschieden sich insoweit einzig im Beweismass, nicht aber in der Frage der beweisrechtlichen Zulässigkeit privat in Auftrag gegebener demoskopischer Erhebungen.

Daher stellt das Bundesgericht fest: „Eine Umfrage, die bezüglich der befragten Personen und der verwendeten Methoden wissenschaftlich konzipiert und korrekt durchgeführt worden ist, ist zum Beweis der markenrechtlichen Verkehrsdurchsetzung im Zivilprozess tauglich, ja ist das geeignetste Beweismittel. Dies gilt unabhängig davon, dass es von einer Partei ins Verfahren eingeführt wurde. Es handelt sich um ein Dokument (ein Schriftstück), das geeignet ist, eine rechtserhebliche Tatsache zu beweisen, um damit um eine Urkunde im Sinne von Art. 177 ff. ZPO“.

Link zur Entscheidung:

https://www.bger.ch

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GMP News für Oktober 2022: CH-Bundesverwaltungsgericht zur rechtserhaltenden Benutzung bei abweichendem Gebrauch

 

Mit Urteil vom 14.06.2022 hat sich das CH-Bundesverwaltungsgericht (AZ B-6287/2020) zu Fragen des rechtserhaltenden Gebrauchs von Marken in abweichender Form befasst.

 

Die Beschwerdeführerin hatte gestützt auf ihre internationale Registrierung Nr. 810´018 („JUVEDERM“) Widerspruch eingelegt und vollständigen Widerruf der am 22.04.2016 von der Beschwerdegegnerin angemeldeten Wortmarke 701´681 („JUVEDERM“) verlangt. Die Beschwerdegegnerin erhob im Widerspruchsverfahren die Einrede des Nichtgebrauchs. Mit Widerspruchsentscheid vom 11.11.2020 wies das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) den Widerspruch mangels rechtserhaltenden Gebrauchs vollumfänglich ab. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht. Nach Art. 12 Abs. 1 MSchG kann ein Markeninhaber sein Markenrecht idR nicht mehr geltend machen, wenn er die Marke während eines ununterbrochenen Zeitraums vom fünf Jahren nicht gebraucht hat. Der Zeitraum, für den der Gebrauch der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen ist, bestimmt sich rückwärts gerechnet von dem Zeitpunkt an, zu welchem der Nichtgebrauch der Marke geltend gemacht worden ist (Art. 2 MSchG). Dabei muss die Widersprechende den Gebrauch ihrer Marke in der Schweiz in relevanten Zeitraum nicht beweisen, sondern lediglich glaubhaft machen (Art. 32 MSchG). Glaubhaft machen bedeutet, so dass Bundesverwaltungsgericht, dem Richter aufgrund objektiver Anhaltspunkte den Eindruck zu vermitteln, dass die fraglichen Tatsachen nicht bloß möglich, sondern eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die glaubhaft zu machende Tatsache spricht. Als mögliche Belege für das Glaubhaftmachen des Gebrauchs können Urkunden (Rechnungen), Lieferscheine oder Augenscheinobjekte (Etikettenmuster, Verpackungen, Kataloge, Prospekte) dienen. Nur diejenigen Urkunden oder Augenscheinobjekte können als Beweismittel berücksichtigt werden, die sich einwandfrei dem fraglichen Gebrauchszeitraum zuordnen lassen.

 

Der rechtserhaltende Gebrauch setzt voraus, dass die Marke in ihrer eingetragenen Form oder in einer nur unwesentlich abweichenden Form für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen benutzt wird. Im vorliegenden Fall legte die Beschwerdeführerin als Benutzungsnachweise diverse Rechnungen, Fach- und Produktinformationen sowie Produktkataloge vor. Bei den vorgelegten Belegen wurde die Widerspruchsmarke „JUVEDERM“ regelmäßig in abweichender Form verwendet, nämlich stets zusammen mit weiteren Zeichen, wie beispielsweise in den Kombinationen „JUVEDERM Ultra 2-4“, „JUVEDERM Voluma“ und „JUVEDERM Ultra Smile TSK“. Dazu stellt das Bundesverwaltungsgericht fest:

 

„Diese Zusätze legen zunächst eine Markenserie unter dem Stammbestandteil „JUVEDERM“ nahe. [Die Zusätze] beziehen sich auf die Eigenschaften der Waren und sind in Ihrem Charakter beschreibend und/oder anpreisend. Die Hinzufügung dieser beschreibenden und/oder anpreisenden Zusätze verändern die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „JUVEDERM“ allerdings nicht entscheidend. […] Abnehmer [erkennen] diese auch in Verbindung mit den Zusätzen und fassen sie als mit der eingetragenen Marke übereinstimmend auf“ (Urteil vom 14.06.2022, Ziff. 5.1.2).

 

Weiter hält das Bundesverwaltungsgericht in der oben genannten Entscheidung fest, dass nach gefestigter Rechtsprechung bereits eine minimale Marktbearbeitung in verhältnismäßig geringem Umfang für die Annahme eines ersthaften Gebrauchs ausreicht. Daher, so das Gericht, erfüllen die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gebrauchsbelege die quantitativen Anforderungen in jeder Hinsicht.

 

Volltext:

https://www.bvger.ch/bvger/de/home/rechtsprechung/entscheiddatenbank-bvger.html

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Deutschland hat mit Note vom 30. April 2021 das Übereinkommen zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz, abgeschlossen am 13. April 1892, mit Wirkung zum 31. Mai 2022 gekündigt. Ab dem 1. Juni 2022 können sich Markeninhaber in Deutschland und der Schweiz somit nicht mehr auf die Benutzungsfiktion dieses Übereinkommens […]

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In dem Urteil vom 22.09.2021 (Az: IZR 20/21) hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Zusammenhang mit einer Entscheidung zur Schadensersatzverpflichtung bei Markenverletzungen (§ 14, Abs. 6, S. 3 MarkenG, § 287) festgestellt, dass ein Schadensersatzanspruch im Rahmen der Lizenzanalogie auf der Grundlage einer Umsatzlizenz auch dann zu berechnen ist, wenn die Markenrechtsverletzung allein in der Werbung erfolgt ist und die betreffende Marke nicht auch zur Produktkennzeichnung verwendet wird. In dem zu entscheidenden Fall hatte die Verletzerin in Werbebriefen die Klagemarke „Layher“ in rechtswidriger Weise verwendet und hatte nach Abmahnung durch die Klägerin wegen dieser Werbeaktion eine strafbewährte Unterlassungserklärung abgegeben, unter der sie sich unter anderem verpflichtet hatte, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Verletzungshandlung entstanden ist und noch entstehen wird.

Auf der Basis des von der Verletzerin erzielten Umsatzes mit den markenverletzenden Gerüstbauteilen hatte das LG Stuttgart (GRUR-RS 2020,39648) die Klägerin zur Schadensersatzzahlung auf der Grundlage einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 8% des erzielten Nettoumsatzes verurteilt. In der Berufung wurde der fiktiven Linzensatz auf 5% herabgesetzt. Das OLG Stuttgart (WRP 2021,539) stellte fest, dass der Umstand zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte die Marke der Klägerin lediglich in ihrer Werbung verwendet habe. Danach sei ein fiktiver Lizenzsatz von 5% angemessen.

Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der BGH stellt fest, dass auch bei einer allein die Werbung, nicht aber die Kennzeichnung und den Vertrieb von Produkten betreffenden Markenverletzung die fiktive Lizenzgebühr auf der Basis einer Umsatzlizenz berechnet werden könne. Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Anknüpfung der Lizenzgebühr an Art und Umfang des Werbeaufwands nicht per se besser geeignet sei als die Anknüpfung an den Umsatz, um die Höhe der fiktiven Lizenzgebühr zu ermitteln, hat der BGH bestätigt. Weiter führt er aus, dass auch die Interessen des fiktiven Lizenzgebers im Rahmen der angemessenen üblichen Lizenzgebühr Berücksichtigung finden müssten. Vernünftige Lizenzvertragsparteien würden in ihre Überlegung zu einer angemessenen Lizenzgebühr zum Beispiel das Risiko eines Marktverwirrungsschadens oder das Risiko der Minderung des Prestigewerts der Produkte des Markeninhabers einbeziehen. Gegen Ende der Entscheidung stellt der BGH dann wie folgt fest: Auch wenn eine Lizenzminderung nicht damit begründet werden kann, dass die Markenrechtsverletzung nur in der Werbung erfolgt ist, bedeute dies nicht, dass diese Art der Markenrechtsverletzung bei der Bemessung der fiktiven Lizenzgebühr keine Berücksichtigung finde. Eine deutliche Herabsetzung des Lizenzsatzes sei gerechtfertigt in Fällen, in denen die Lizenzgebühr an einen Umsatz anknüpft, der nur zu einem geringen Teil auf der Markenverletzung ruht. Der insoweit erforderliche Abschlag erfolge im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO durch das Gericht und die Reduzierung der fiktiven Lizenzgebühr auf 5% sei nicht zu beanstanden.

Volltext:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=124401&pos=9&anz=848