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Urheberrechtschutz für ein Heizstrahler in Pyramidenform bejaht.

Mit Entscheidung vom 30. März 2023 hat das OLG Hamburg, 5. Zivilsenat (AZ: 5 U 77/21) in einem Berufungsverfahren entschieden, dass ein Heizstrahler in Pyramidenform als Werk der angewandten Kunst urheberechtlichen Schutz genießen kann.

 

Gegenstand des zuvor beim LG Hamburg geführten Streitverfahrens war der Vertrieb eines gasbetriebenen Heizstrahlers in Pyramidenform auf einer viereckigen Grundform. Die Antragstellerin hatte ihre Ansprüche gegen die Antragsgegnerin sowohl auf die Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters als auch auf die Verletzung von Urheberrechten gestützt. Allerdings wurde das klägerische Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig erklärt, so dass nur noch der Aspekt einer Urheberrechtsverletzung zu beurteilen war. Die  Antragsgegnerin machte geltend, dass es sich beim klägerischen Heizgerät nicht um ein Werk der angewandten Kunst handele, sondern um ein rein handwerksmässiges Erzeugnis, bei welchem keine persönliche geistige Schöpfung vorliege und daher kein urheberrechtlicher Schutz bestehe. Im Übrigen sei aufgrund technischer Vorgaben der Gestaltungsspielraum für Heizstrahler beschränkt und es gebe, so die Antragsgegnerin, diverse Heizstrahler, die eine gleiche Optik wie das Klagemuster aufwiesen.

Das Landgericht Hamburg, nunmehr bestätigt durch das OLG, billigte dem Verfügungsmuster jedoch urheberrechtlichen Schutz zu (RN. 74).

 

Im Berufungsurteil (RN 75) verweist das OLG Hamburg zunächst auf die Rechtsprechung des BGH, nach welchem Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen seien, als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst. Zur Annahme eines Werkes sei eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne vom § 2 Abs.2 UrhG erforderlich, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2014, 175 Rn. 15 – Geburtstagszug). Allerdings, sodass OLG, sei bei Gebrauchsgegenständen, welche durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen müssen, der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt (RN. 76). Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maß die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertige (RN. 76).

 

Anschließend nimmt das OLG Hamburg in seiner Entscheidung Bezug auf die  Rechtsprechung des EuGH  zur Werkqualität (RN 78). Danach habe  der Begriff „Werk“ zwei Bestandteile. Zum einen muss es sich um ein Original handeln, das eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers ist und zum anderen muss eine solche Schöpfung zum Ausdruck gebracht werden (vgl. EuGH, GRUR 2019, 1185 Rn. 29 – Cofemel/G-Star; EuGH, GRUR 2020, 736 Rn. 22 – Brompton/Get2Get). Unter Beachtung dieser Grundsätze, so das OLG Hamburg, lägen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Urheberrechtsschutzes des klägerischen Heizstrahlers vor. Entscheidend sei, dass trotz des zweifelsfrei vorliegenden Gebrauchszwecks des Gerätes für den Entwerfer nicht nur ein hinreichender Spielraum für freie, kreative Entscheidungen bestanden habe, sondern dieser auch von diesem Gestaltungsfreiraum Gebrauch gemacht habe. Für den Urheberschutz spreche zusätzlich, dass das Gestaltungsergebnis einen erheblichen Abstand vom vorbekannten Formenschatz realisierte. Daher sei im vorliegenden Fall eine Gestaltungshöhe erreicht, die die Gewährung von Urheberrechtsschutz rechtfertige. Der Gesamteindruck des Verfügungsmusters werde durch die klare geometrische Form einer Pyramide – oder eines dreikantigen Kegels – geprägt, die einen fließenden Übergang vom Unterteil mit der Gasflasche ohne ein Mittelstück unmittelbar in die Brenneinheit aufweise und in der die Funktion der Brenneinheit mittels eines Glaskolbens für den Betrachter hindurch sichtbar gemacht werde. Dem dadurch erzeugten Gesamteindruck des klägerischen Heizstrahlers habe zum Zeitpunkt der Schöpfung im Jahre 2006 kein Vorbild vorgelegen.

An dem Ergebnis einer Urheberrechtsverletzung, so das OLG, ändere auch der Umstand nichts, dass der angegriffene Heizstrahler einen quadratischen Grundaufbau aufweist, im Gegensatz zu der dreieckigen Grundform des Verfügungsmusters. Denn auch das Verletzungsmuster werde geprägt durch die geometrische Form einer Pyramide, die zwar in der Grundfläche über mehr Ecken als das Verfügungsmuster verfügt, aber in der eben auch ohne einen Mittelteil ein Übergang vom Unterteil verjüngend in die Brennkammer des Oberteils erfolgt. Daher liege auch unter Berücksichtigung der – geringen – Abweichungen zwischen dem Verfügungsmuster und dem angegriffenen Heizstrahler eine Verletzung ohne weiteres vor (Urteil, RN 87).

 

Quelle:    https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/KORE291312023