GMP News November 2023: Zulässigkeit umweltbezogener Werbeaussagen

gmp-favicon

Zulässigkeit umweltbezogener Werbeaussagen

In seiner Entscheidung vom 23.12.2022, die kürzlich veröffentlicht worden ist (GRUR 2023, 1284 ff.), hat das OLG Bremen festgestellt, dass umweltbezogene Werbeaussagen wie beispielsweise „nachhaltig“ und „ressourcenfreundlich“ unter gewissen Umständen irreführende Angaben nach §5 Abs.1 in Verbindung mit Abs.2 Nr. 1 UWG darstellen können. Nach Ansicht des Gerichts sind umweltbezogene Werbeaussagen zwar grundsätzlich zulässig. Allerdings, so das OLG Bremen, sei die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und Zeichen ähnlich wie die Gesundheitswerbung nach strengen Maßstäben zu beurteilen (a.a.o Rn. 47). Weiter führt das Gericht aus, dass die vom OLG Hamm (GRUR-RS 2021, 31137) zur Werbeaussage „CO2-reduziert“ ausgestellten strengen Anforderungen auch in diesem Fall anzuwenden seien. Es kommt zu dem Schluss, dass die angegriffene Werbung soweit sie eine Beschreibung der streitgegenständlichen Teesorten als „nachhaltig“ erkennen lässt, sämtlich irreführend seien. Denn die Werbung lasse nach dem maßgeblichen Gesamteindruck aus Sicht der angesprochenen Fachkreise keine hinreichende Benennung derjenigen Vorzüge erkennen, die die Auslobung der Nachhaltigkeit aus Sicht der Verfügungsbeklagten tragen soll (a.a.o. Rn. 49bb).

Dem Einwand der Verfügungsbeklagten, das in Rede stehende Werbeanzeige sich nicht an den Verbraucher, sondern an Entscheider im Lebensmitteleinzelhandel richtet. Auch die angesprochenen Entscheider des Lebensmitteleinzelhandels – also etwa Marktleiter oder verantwortliche Mitarbeiter von Einkommensabteilung – verstehe die angegriffene Werbung, dass die Kräuterpflanzen zwar unter Berücksichtigung des Standards der EU-Bio-VO angebaut worden seien, die zusätzlich versprochene „Nachhaltigkeit“ werde daher allerdings nicht näher präzisiert (a.a.o. Rn. 53(2)).

Das OLG Bremen stellt klar, dass die Kriterien für die Zulässigkeit eines Irrtums ausschließend umweltbezogenen Werbung auch nicht nur gegenüber dem Endverbraucher, sondern auch bei einer Werbung, die sich an Fachkreise wendet (und verweist auf OLG Hamburg 5 U 85/06, BeckRS 2008, 7230). Dies ergebe sich bereits daraus, dass §5 I 1 UWG (auch in seiner alten Fassung) irreführende Werbung nicht nur gegenüber dem Verbraucher, sondern auch gegenüber sonstigen Marktteilnehmern als unlauter eingestuft.

Zwar könne die Irreführungsgefahr bei Fachkreisen dann gemindert sein, wenn die Fachkreise typischerweise über eigene umfassende Kenntnisse verfügen, um die Umweltauswirkung des beworbenen Produkts in den relevanten Einzelheiten aus eigener Anschauung sicher beurteilen zu können (Rn. 57). Dafür sei aber vorlegend nichts vorgetragen. Die demnach als irreführend anzusehende Werbung sei auch geeignet, den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die anderenfalls nicht getroffen hätte (§ 5 I 1 UWG). Nach alledem erwiesen sich die angegriffenen Bezeichnungen „nachhaltige Kamille“ mit dem nicht näher erläuterten Zusatz „ressourcenfreundlich“ genauso als irreführende, unlautere Werbung wie auch die Beschreibung als „ressourcenfreundlich“. Selbst wenn man eine Irreführung nicht auf das Fehlen der Erläuterung, wie die Ressourcenfreundlichkeit beziehungsweise Nachhaltigkeit konkret ausgestaltet ist, stützen würde, wäre in Bezug auf die Verwendung der Begriffe „ressourcenfreundlich“ und „nachhaltig“ in Bezug auf den Wasserverbrauch der Kamillenpflanze eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten anzunehmen. Denn der geringe Wasserverbrauch der Kamillenpflanze sei unstreitig ein Wesensmerkmal der Pflanze selbst, welches mithin jedem Kamillentee anhafte und das Leistungsangebot der Verfügungsbeklagten gegenüber anderen Angeboten nicht auszeichne.

Die Verwendung des Zusatzes „Kurze Lieferwege“ erwecke bei dem Leser der Werbeanzeige den (unzutreffenden) Eindruck, dass das so beworbene Produkt des Minztees aus regional im Bundesgebiet erzeugten und verarbeiteten Minzpflanzen bestehe. Auch diese Vorstellung erweist sich als unrichtig.

Kommentar: Die umweltbezogene Werbung ist aktuell Gegenstand vieler Streitigkeiten. Diese Entscheidung ist insoweit begrüßenswert, als sie sich sehr ausführlich mit dem Irreführungspotential auch von Werbung, die sich an Fachkreise wendet, auseinandersetzt. Beachtenswert ist auch, welch hohen Prüfungsmaßstab das OLG Bremen in Bezug auf die Zulässigkeit der Verwendung von umweltbezogenen Werbeaussagen anlegt, nämlich ähnlich hoch wie bei der Gesundheitswerbung, wenn das Gericht fordert, dass es der konkreten Benennung des jeweiligen, die Anpreisung als nachhaltig tragenden Vorzugs des Produkts bedarf.

Quelle: GRUR 2023, S. 1384 ff.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert