GMP News für  November 2022 CH-Bundesgericht zum Beweis demoskopischer Umfragen (Lindt gegen Lidl)

,
gmp-favicon

GMP News für  November 2022 CH-Bundesgericht zum Beweis demoskopischer Umfragen (Lindt gegen Lidl)

 

In seiner Entscheidung vom 30. August 2022 (4A_587/2021) hat sich das CH-Bundesgericht mit dem Beweiswert von demoskopischen Umfragen befasst.

Ausgangspunkt der Entscheidung des zugrunde liegenden Streits war, dass zwei Lidl-Gesellschaften vor Ostern 2017 in der Schweiz Schokoladenhasen in einer Goldverpackung angeboten hatten. Dagegen war die Klägerin und spätere Beschwerdeführerin Lindt & Sprüngli AG gestützt, auf Ihre Formmarken No. 696955 und Nr. P-536640 wegen behaupteter Markenrechtsverletzung vorgegangen. Gegen die von Lindt erhobene Klage vor dem Handelsgericht Aargau erhob die Beklagte und spätere Beschwerdegegnerin die Einrede der Schutzunfähigkeit. Die Beklagten vertraten die Auffassung, die im Markenregister eingetragenen Zeichen von Lindt seien Gemeingut und aus diesem Grund vom Markenschutz ausgeschlossen. Lindt machte hingegen die Schutzfähigkeit seiner Marken auf der Grundlage von Verkehrsdurchsetzung geltend und legte als Nachweis dafür das Ergebnis einer repräsentativen Meinungsbefragung vor. Dieses Gutachten attestierte dem Lindt Goldhasen eine „aktive Bekanntheit“ in der Schweiz von 94% (in Gold) und von 95% (in Schwarz-Weiss) sowie eine ungestützte Zuordnung von 87% (in Gold) und 89% (in Schwarz-Weiss). Nach Auffassung des Handelsgerichts stellten jedoch die von der Beschwerdeführerin (Lindt) vorgelegten demoskopischen Erhebungen nichts anderes dar als „Privatgutachten, die als blosser Bestandteil der Parteivorbringens anzusehen“ seien. Das Handelsgericht wies die Klage im Übrigen deshalb ab, weil es der Auffassung war, dass der Lidl-Hase ausreichend unterschiedliche Merkmale aufweise, um eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr zu verneinen. Das Bundesgericht gab der Beschwerde von Lindt gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kanton Aargau vom 16. September 2021 (HOR.2018.56) u.a. mit folgenden Erwägungen statt:

Die (dreidimensionalen) Marken, auf welchen die Klägerin ihre Ansprüche fusste, – mögen sie auch ursprünglich kennzeichnungsschwach gewesen sein -, seien in Folge der (notorischen) Verkehrsdurchsetzung im Laufe der Jahre zu starken Zeichen geworden, denen angesichts ihrer Bekanntheit eine erhebliche Individualisierungskraft innewohne. Damit sei von einem weiten geschützten Ähnlichkeitsbereich auszugehen (Bundesgericht a.a.O, E 8.2).

Weiter nahm das Bundesgericht Verwechslungsgefahr an. Zwar sei der Vorinstanz zuzustehen, dass sich die Lidl-Hasen in Details von den Lindt-Hasen unterschieden. Diese Details mögen bei einem aufmerksamen Vergleich unterscheidbar sein. Für die markenrechtliche Verwechselbarkeit sei indes der Gesamteindruck massgebend, den sie im Gedächtnis der Adressaten hinterlassen (BGE 128 III 441 E.3.1). Vor diesem Hintergrund hätte das Handelsgericht den Schluss ziehen müssen, dass die Marken bei den Verkehrskreisen der Beschwerdeführerin als im Verkehr durchgesetzte, besonders kennzeichnungskräftige Zeichen prägende Erinnerungsvorstellungen hinterlassen, an die sich die von den Beschwerdegegnern vertriebenen Hasen stark und in irreführender Weise anlehnen (a.a.O, E 8.3). Daran ändere auch das auf den Lidl-Hasen aufgedruckte Etikett „FAVORINA“ nichts. Gerade bei Lebensmitteln könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit handelnde Käufer sich durch die Lektüre von Anschriften bei seiner Auswahl orientiere. Hingegen werde er ihm bekannte Produkte nicht zuletzt anhand der Form und der Ausstattung wählen (E.8.4).

Schliesslich habe die Vorinstanz die bundesrichterliche Rechtsprechung verkannt, wenn sie die von der Klägerin vorgelegten Ergebnisse demoskopischer Umfragen als reinen „Parteivortrag“ qualifiziert. Das Bundesgericht habe demoskopische Erhebung schon immer die Eignung zum Beweis der Verkehrsdurchsetzung zugesprochen, soweit diese auf wissenschaftlich konzipierten und korrekt durchgeführten Umfragen basierten (Bundesgericht a.a.O, E 4.5.3 mit Verweis u.a. auf BGE 131 III 121 sowie BGE 130 III 328 E.3.5). Dies werde, so das Bundesgericht, auch in der Lehre durchwegs anerkannt.

Ergänzend weist das Bundesgericht darauf hin, dass im Verwaltungsverfahren zur Eintragung einer Marke aufgrund von Verkehrsdurchsetzung vor dem Eidgenössischen Institut eine von den Parteien einzuholende Umfrage zum Nachweis (Glaubhaftmachung) der Verkehrsdurchsetzung nicht nur zulässig, sondern faktisch verlangt werde (a.a.O,E 4.5.4). Das Verwaltungsverfahren vor dem IGE und der markenrechtliche Zivilprozess unterschieden sich insoweit einzig im Beweismass, nicht aber in der Frage der beweisrechtlichen Zulässigkeit privat in Auftrag gegebener demoskopischer Erhebungen.

Daher stellt das Bundesgericht fest: „Eine Umfrage, die bezüglich der befragten Personen und der verwendeten Methoden wissenschaftlich konzipiert und korrekt durchgeführt worden ist, ist zum Beweis der markenrechtlichen Verkehrsdurchsetzung im Zivilprozess tauglich, ja ist das geeignetste Beweismittel. Dies gilt unabhängig davon, dass es von einer Partei ins Verfahren eingeführt wurde. Es handelt sich um ein Dokument (ein Schriftstück), das geeignet ist, eine rechtserhebliche Tatsache zu beweisen, um damit um eine Urkunde im Sinne von Art. 177 ff. ZPO“.

Link zur Entscheidung:

https://www.bger.ch

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert